GastroSpiegel, 20.02.2024 – Modellanalysen des Vereins United Against Waste (UAW) zeigen, dass mit jeder verkauften Mahlzeit in der Großküche Speiseabfälle im Wert von rund 40 Cent in der Tonne landen, in der Schulverpflegung sind es zirka 25 Cent. Dabei ist es inzwischen möglich, Abfallkosten von rund vier Euro je Kilogramm Abfall sowie gleichzeitig den CO2-Fußabdruck um mehr als 50 Prozent zu reduzieren – gute Gründe für ein aktives Food-Waste-Management. „In der Praxis tun sich jedoch oft Hürden auf, die sich nicht so einfach aus dem Weg räumen lassen“, berichtet Eva Gelhausen, Pressesprecherin Netzwerk Culinaria. Sie nennt dazu ein Beispiel: „Caterer sind häufig vertraglich verpflichtet, den Gästen bis kurz vor Schluss die komplette Vielfalt in der Ausgabe zu präsentieren – damit sind Überproduktionen oft vorprogrammiert, die am Ende der Ausgabezeit aus hygienischen Gründen zu verwerfen sind.“ Die Fachplanerin erläutert ein weiteres Beispiel ist: „Nicht jede Gastgruppe möchte vorbestellen, damit die Küche nur die benötigte Menge produziert.“
Kleine und große Gäste einbeziehen
Vieles an guten Tipps lässt sich nicht überall 1:1 umsetzen. „Aber es ist schon allein aus wirtschaftlichen Gründen geboten, individuell für seine Küche zu prüfen, was klappt“, berichtet Küchenmeister Stefan Gerhardt, viele Jahre Leiter von Großküchen. Der Berater hat etwa in der gemeinsam mit Ehefrau Marion geführten Mensa der IGS in Braunschweig Food-Waste auf nahezu null gesenkt, obwohl die Schulverpflegung eine kritische Klientel bewirtet: „Ab der 8. Klasse wollen Schülerinnen und Schüler nicht vorbestellen, von den 720 täglichen Gästen waren daher bis zu 300 Ad-hoc-Esser.“ Dabei kennen die Jüngeren manche Lebensmittel, die serviert werden, gar nicht mehr, hebt der Verpflegungsprofi hervor.
Die Schulverpflegung kämpft auch aus diesem Grund generell mit Überproduktionen und Tellerresten – rund 60 Gramm Abfall wandern je Mahlzeit in der Schulverpflegung in die Tonne, wie United Against Waste ermittelt. Um das zu minimieren, setzte das Team um Stefan Gerhardt auf ein Bündel an Maßnahmen: „Wir haben konsequent auf eine chargenweise Produktion mit dafür geeigneten Rezepturen und Techniken umgestellt.“ Beilagen wie Gemüse ließen sich in wenigen Minuten im Flexicombi von MKN nachproduzieren, komplette Gerichte wie eine Bolognese mit roten Linsen gelingen dank Highspeed-Garen im Flexichef in 15 bis 20 Minuten. „Eine solche chargenweise Nachproduktion ist für Frischküchen mit der wirkungsvollste Hebel, um Überproduktionen zu vermeiden“, erklärt Gerhardt.
Wichtig sei auch, dass die geschulten Ausgabekräfte im ersten Step kleinere Portionen nach Kellenplan servieren und dass es auf Wunsch selbstverständlich immer einen Nachschlag gebe, führt Stefan Gerhardt an. Eine ungewöhnliche, aber offenbar hilfreiche Maßnahme erläutert Marion Gerhardt: „Jüngere Schüler bis etwa 12 Jahre bewirten wir nach und nach in Vierergruppen an der Ausgabe, um Ruhe für ein Gespräch und die richtige Auswahl zu haben.“ Das koste Zeit, aber die Erfahrung gebe ihnen recht: „Die jüngeren Gäste essen das, was sie sich selbst aussuchen dürfen.“ Wichtig sei zudem ein guter Austausch mit allen, um möglichst viele zu einer Teilnahme am Mittagessen zu motivieren und zugleich eine wirtschaftliche Basis ohne unnötige Warenverluste zu erzielen. „In den regelmäßigen Tutorenstunden zu Fragen und Wünschen rund um die Schule können unsere jungen Gäste immer Wünsche zum Mittagessen an uns richten“, hebt Marion Gerhardt hervor. Verglichen mit herkömmlichen Mengen an Speiseabfällen in der Schulverpflegung sparten sie so monatlich zwischen 3.000 und 4.000 Euro an Lebensmittelkosten, bei zirka 720 täglichen Essensteilnehmern und einem Wareneinsatz von rund 1,60 Euro je Mahlzeit.
Buffet-Effekt vermeiden
Betriebsrestaurants haben aufgrund größerer Portionen von meist 500 Gramm mit über 100 Gramm Speiseabfällen je Mahlzeit noch mehr Einsparpotenzial – in der Spitze weisen manche sogar um die 55 Prozent Warenverluste aus. „Manche Betriebsgastronomien kochen vorbildlich nach dem ‚Nose to tail-Prinzip‘ – alles wird genutzt, bis hin zu den Knochen für eigene Saucen“, sagt Eva Gelhausen. Doch bei SB-Angeboten im Free Flow sei die Produktionsplanung stets die Herausforderung, wie die Fachplanerin ergänzt: „Neben einer chargenweisen Nachproduktion unterstützt heute KI mit am wirksamsten.“ Als Beispiel: Mit Digital-Tools wie von Delicious Data lassen sich laut Anbieter durch einen bessere Planung Überproduktionen um bis zu 30 Prozent mindern. Eine weitere Beobachtung von Gelhausen: „Bei ‚All you can eat‘-Angeboten in Betriebsrestaurants kommen oft Berge an Geschirr und Essen zurück.“ Gemeinschaftsverpflegung und pauschale Preise bei SB – davon rät sie ab. „Wir beobachten: Essen muss Geld kosten, ansonsten tritt der Buffet-Effekt ein.“ Eine weitere Empfehlung der Fachplanerin: „Das Küchenteam sollte mittags ab einer gewissen Ausgabezeit lieber öfter und nur wenig nachbestücken.“ Denn: „Speisen, die in der Küche bleiben, müssen nicht verworfen werden.“
Food-Waste als Energiequelle
Speisereste sind bei den Größenordnungen von Campusgastronomien eine echte wirtschaftliche Hausnummer. Konkret in Zahlen bedeutet das: Beim Studierendenwerk Düsseldorf mit rund 1,6 Millionen Essen pro Jahr kommen bei rund 120 Gramm Speiseresten je Mittagsmahlzeit jährlich rund 192 Tonnen Nassmüll zusammen. Die Abfallkosten betragen laut einer Analyse von UAW um die vier Euro je Kilogramm Abfall, ergäbe damit rund 770.000 Euro Kosten pro Jahr. Und: In Food-Waste steckt viel nutzbare Energie: Mit 192 Tonnen Nassmüll ließen sich knapp 60.000 kWh Strom gewinnen - vorausgesetzt, die Speisereste werden nicht verbrannt oder kompostiert, sondern in einer Biogasanlage vergärt.
Alles das war für Stephan Bruns, Leiter der Campusgastronomie in Düsseldorf, Anlass zum Handeln. „Nassmüll kostet uns Geld, ist ein wertvoller Energielieferant und war für unser Personal eine immense Arbeitsbelastung.“ Allein in der Zentralmensa am Campus der Heinrich-Heine-Universität wurden dreimal pro Woche zehn Abfalltonnen à 120 Liter Speisereste abgeholt. 3.600 Liter pro Woche – diese Mengen musste das Team jede Woche per Hand in die Behälter füllen, dann die Tonnen in den Keller zum Kühlen verfahren, anschließend zur Abholung an die Rampe transportieren. „Das ist oft nicht nur unhygienisch, weil in der Hektik mal etwas umkippt oder überschwappt. Das ist belastend und kostet unser Team viel zu viel Zeit“, betont Bruns.
Entsorgungsprozess fast im Alleingang
Heute organisiert in der Zentralmensa eine Vakuum-Absauganlage von Meiko diesen Entsorgungsprozess fast im Alleingang. Auch die Abholungskosten sanken um mehr als die Hälfte: Der Wagen zum automatischen Abpumpen der aufbereiteten Speisereste kommt nur alle 14 Tage statt dreimal pro Woche für die Tonnen. Und: „Unsere Speisereste in der Zentralmensa werden nun in einer Biogasanlage in Energie umgewandelt – die Art der Aufbereitung macht es möglich“, freut sich Bruns. Um den Anteil an Speiseresten insgesamt zu senken, überprüfen die Düsseldorfer regelmäßig ihre Abfallmengen und die Produktionsplanung. Der Leiter der Campusgastronomie erklärt: „Wir haben im ersten Step die Anteile an Küchenabfällen, Überproduktionen und den Tellerresten unter die Lupe genommen.“ Lagerverluste kommen kaum vor, dank eines Warenwirtschaftsprogramms hat man das MHD stets im Blick.
Ein wesentlicher Baustein, um Überproduktionen zu vermeiden, sind neben kleinen Chargen sowie flachen GN-Schalen in der Ausgabe ein angepasstes Angebot vor Ausgabeschluss. „Wir bieten heute nicht mehr alles bis 14.30 Uhr an, oft nur bis 13.00 oder 13.30 Uhr. Wir kommunizieren die Gründe auch gegenüber unseren Gästen“, berichtet Bruns. Das trifft in der Regel auf großes Verständnis. Doch der Weg ist für die Düsseldorfer noch nicht zu Ende: „Wir haben in der Branche gerade viel vor der Brust, aber Speisereste weiter zu minimieren, macht richtig Sinn.“ Und Bruns hält viel von autarken Energiesystemen im Kleinen: „Wir wünschen uns für unsere Mengen an Nassmüll eine eigene Kleinbiogasanlage auf dem Gelände, mit der wir unsere nicht vermeidbaren Speisereste in hier nutzbaren Strom umwandeln können.“
Unter diesen Voraussetzungen lohne es sich, Routinen im eigenen Betrieb zu überprüfen. „Es muss nicht gleich das Zero Waste-Ziel sein“, betont Eva Gelhausen. „Oft hilft es schon, sich die eigenen Mengen mittels Messungen im ersten Schritt bewusst zu machen, Transparenz in die damit verbundenen Kosten zu bringen, um so das Team mitzunehmen und erste wichtige Steps anzustoßen.“
cd, Netzwerk Culinaria / rl