Apetito
Angriff auf Seniorenverpflegung
Der Tiefkühllebensmittel-Hersteller und Caterer Apetito ist Ziel eines Cyberangriffs geworden. Derzeit hat das Unternehmen keinen Zugriff auf seine IT-gestützten Systeme. Mittlerweile ist der Angriff kein Einzelfall in Deutschland und im Rest der Welt.

GastroSpiegel, 28.06.2022 – Noch vor wenigen Wochen hat der Apetito-Konzern im Rahmen der Jahrespressekonferenz die aktuelle Digitalisierungsstrategie hervorgehoben. So vereint beispielsweise Apetito Catering unter dem Dachnamen „Easy“ flexible und zukunftsweisende Konzepte innerhalb der Strategie. Speziell in der Betriebsverpflegung wurde mit dem „Easy System“ der gesamte Bestell- und Bezahlprozess auch innerhalb der Betriebsverpflegung digitalisiert. Im Care-Markt setzt der Caterer auf das Konzept „Easy Kitchen“.

Nun läuft allerdings gar nichts mehr digital bei Apetito. „Wir haben derzeit keinen Zugriff auf unsere IT-gestützten Systeme, da unsere Server attackiert wurden. Aus diesem Grund sind aktuell unter anderem Bestellungen nicht möglich“, heißt es auf der Homepage des Herstellers. Die oberste Priorität habe derzeit die Sicherstellung der Versorgung von Kliniken und Senioreneinrichtungen sowie Seniorinnen und Senioren zuhause durch die Lieferung von Ersatzmenüs. „Ein Expertenteam intern und extern arbeitet mit Hochdruck an Analyse und Lösungen“, teilt das Unternehmen mit. Leider sei noch nicht absehbar, wann man wieder erreichbar sein werde. Kunden könnten sich an ihren zuständigen Außendienstmitarbeitenden wenden. Auch die VerpflegungsManagement-Redaktion ist indirekt von der Cyber-Attacke betroffen, da kurzfristig ein Reportage-Termin abgesagt werden musste.

Wohl schon in der Nacht zum Samstag, dem 25. Juni 2022, wurde das Unternehmen Opfer einer großen Cyberattacke. Das berichtet die „Münsterländische Volkszeitung“. Laut „Lebensmittelpraxis“ sind auch die polizeilichen Ermittlungsbehörden eingeschaltet, darunter die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in Köln (ZAC NRW). Das Unternehmen habe Anzeige bei der Polizei Münster erstattet.

Wie das Handelsblatt berichtet, sind in den vergangenen Wochen und Monaten die Cyber-Angriffe gestiegen. Schon länger warnen Behörden und Geheimdienste davor, dass aufgrund des Ukrainekriegs verstärkt mit solchen Reaktionen durch russische Hackergruppen auf die Sanktionen des Westens zu rechnen sei.

Vor kurzem stoppte beispielsweise ein Hackerangriff auf den US-Landmaschinenhersteller Agco auch bei der Tochterfirma Fendt im Allgäu die Produktion. Der Windturbinenhersteller Nordex war bereits im März betroffen. Auch viele deutsche Mittelständler wie der Auspuffhersteller Eberspächer oder der Automatisierungsspezialist Pilz wurden bereits zuvor von Hackern angegriffen. Pilz wurde Opfer eines sogenannten Ransomware-Angriffs. Hier verschlüsseln die Hacker die IT-Systeme eines Unternehmens und verlangen zum Teil millionenschwere Lösegelder für die Freischaltung. Zwar hat Pilz am Ende nicht bezahlt, dafür aber die IT-Systeme neu aufgestellt – das habe mehr als ein Jahr in Anspruch genommen.

Spätestens seit einem russischen Hackerangriff auf Webseiten des Verteidigungsministeriums und des Bundestags sind auch Politiker alarmiert. Volker Wissing, Bundesminister für Verkehr und Digitales, sagte bei einem Digitalministertreffen der G7-Staaten: „Dies ist auch ein Krieg im Internet.“ Und der SPD-Bundestagsabgeordnete und Kriminalbeamte Sebastian Fiedler sieht die Cyberattacken auf deutsche Behörden-Websites als „die Vorboten dessen, was an Angriffen noch auf uns zukommen kann“.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mehren sich die Anzeichen, dass russische Hacker auch kritische Infrastruktur in Visier nehmen. Dazu gehören vor allem Unternehmen und Organisationen, die für die Versorgung der Bevölkerung besonders wichtig sind. Beispiele sind Krankenhäuser, Wasser- und Umspannwerke, Energieversorger oder Tankstellen. Das mit dem Angriff auf Apetito auch die Versorgung im Care-Bereich eingeschränkt wird, passt in das Muster.

rl

 

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