FCSI
Individuelle Digitalisierung
Der FCSI-Stammtisch in München befasste sich mit Digitalisierung, die individuell und effizient sein sollte. Dabei sind die kluge Auswertung und Nutzung von Daten notwendiger denn je. Allerdings sollten die Kosten die Einsparungen nicht übersteigen und die Mitarbeiter über Erlebnisfaktoren und kleine Schritte mitgenommen werden.

GastroSpiegel, 12.07.2022 – Zum bereits dritten Mal veranstaltete der Berater- und Planer-Verband FCSI Deutschland-Österreich in München einen Stammtisch zum Thema Digitalisierung. Mehr als 50 Teilnehmer folgten der Einladung ins Wirtshaus „Der Pschorr“ am Viktualienmarkt, um sich über die neuesten Entwicklungen, Herausforderungen und Lösungsansätze für den digitalen Fortschritt in der Hospitality-Branche zu informieren. Zwei hochkarätig besetzte, von Nina Fiolka moderierte Expertenrunden sprachen über Theorie und Praxis digitaler kultureller Bildung sowie über digitale Nachhaltigkeit in einem Wirtschaftszweig, in dem der hohe Stellenwert persönlicher Kontakte und menschlicher Interaktion vielfach noch den umfassenden Siegeszug neuer Technologien verhindert.

Dabei liegt die Lösung für viele Herausforderungen genau in dieser, immer noch oft skeptisch beäugten Digitalisierung, wie Fachfrau Carolin Steurer, Director of Product Marketing bei der Bestellplattform Choco, eingangs bekräftigte. Sie muss es wissen: Nach sieben Jahren im Silicon Valley arbeitet sie mit ihrem Team nun daran, Lieferketten und die Kommunikation mit Lieferanten in der Gastronomie durch moderne Technik transparenter und effizienter zu gestalten. „Die Deutschen möchten immer erst alles verstehen, was sie machen. Manchmal sollte man aber auch Dinge, die man vielleicht nicht komplett versteht, einfach willkommen heißen”, betonte Steurer. Eine weitere Erklärung, warum es hierzulande so langsam voran geht mit der Digitalisierung der Hospitality-Branche, lieferte Lena Gabold, Customer Success Managerin bei Sensape: „Wir müssen Inhalte attraktiver vermitteln, die Menschen neugierig machen und so auf dem Weg zu mehr Digitalisierung mitnehmen.” Sensape leistet dies beispielsweise mit interaktiven Weinproben, bei denen sich die Teilnehmer nicht nur sensorisch weiterbilden, sondern via Augmented Reality auch auf spielerische Weise Wissen vermittelt bekommen.

Sauber erfassen und intelligent auswerten

Wie wichtig es ist, nicht nur die Gäste, sondern eben auch das Team für die Vorteile der Technik zu begeistern, betonte Julian Dielenhein, der mit seinem Startup Gastrodina Unternehmen im Gastgewerbe bei der Digitalisierung, Buchhaltung und Kassenführung unterstützt: „Corona und die staatlichen Hilfen haben den Druck, Prozesse abzusichern und für das Finanzamt überprüfbar zu machen, noch einmal erhöht. Alle Gastronomen müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen, sonst bekommen sie bei der nächsten Betriebsprüfung Probleme. Wenn der Prüfer unangemeldet im Restaurant steht, sollten auch die Mitarbeiter vorbereitet sein.”

Daten sauber zu erfassen und intelligent auszuwerten, sei mehr denn je das Gebot der Stunde, wie die Runde einhellig betonte. „Daten versetzen unsere Kunden aus der Betriebsgastronomie in die Lage, kulinarische Angebote rund um die Uhr auch ohne Mitarbeiter an der Kasse, dafür zielgerichtet auf die Vorlieben der Gäste abgestimmt vorzuhalten – zu im Vorfeld gebuchten Zeitfenstern, die langes Warten an der Ausgabe ebenso verhindern wie eine Überforderung des Küchenteams”, umriss Punit Sikand das Tätigkeitsfeld der SBI – Support by Improvement, für die er als Sales Manager tätig ist. „Idealerweise entsteht so eine Win-Win-Situation für Mitarbeiter, Gäste und Management.”

Optimieren heißt nicht ausschalten

Nach der intensiv für das Netzwerken genutzten Mittagspause hieß das Schwerpunktthema dann „Digitale Nachhaltigkeit”. In der zweiten Expertenrunde ging es darum, wie Digitalisierung so gelingen kann, dass sie nicht nur effizienter mit immer wertvolleren Ressourcen umgeht, sondern auch tatsächlich Kosten spart. Auch hier helfen Daten unter anderem dabei, Geräte sparsamer einzusetzen. „Optimieren heißt nicht immer Ausschalten”, unterstrich Robin Wittke, dessen Unternehmen Sicotronic Spitzenlastoptimierungsanlagen für Großküchen herstellt. Wittke erläuterte: „Einsparungen lassen sich dann erzielen, wenn die Geräte gemäß dem Bedarf ausbalanciert werden.” Digitalisierung müsse sich dem Kunden anpassen, nicht der Kunde der Digitalisierung: „Schlechte Prozesse, die schlecht digitalisiert werden, bringen keine Verbesserung”, erklärte Daniel Schwanitz, als Mitgründer von „maxINtime“ Entwickler von Softwarelösungen für das Hygiene- und Qualitätsmanagement. „Digitale Nachhaltigkeit bedeutet dagegen wirkliche Veränderung”, betonte der Experte.

Diese müsse wie beispielsweise ein gesunkener CO2-Fußabdruck messbar sein, betonte auch Marc-Oliver Schneider, der mit seinem Unternehmen Kiconn Gewerbeküchen vernetzt und digitalisiert. Er warnte: „Man kann Digitalisierung bis zur Perfektion treiben und anschließend pleitesein. Die Kosten dürfen den Nutzen nicht überschreiten.” Der Leidensdruck der Hospitality-Branche sei durch steigende Preise und den Mitarbeitermangel in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, sodass sich nun immer mehr Unternehmen mit dem Thema beschäftigen: „Köche wollen doch eigentlich nur kochen”, kommentierte Schneider. „Digitalisierung ist dann gut, wenn sie von administrativen Tätigkeiten entlastet werden und sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können.” Die Gefahr bestehe allerdings, dass die Anbieter von Software-Lösungen Produkte entwickeln, die am eigentlichen Bedarf der Branche vorbeigehen, gab Schwanitz zu bedenken. „Wir müssen unseren Kunden besser zuhören und die Daten so aufbereiten, dass jeder sie verstehen kann.”

Küchenausstattung und Landwirtschaft

Dass Digitalisierung nicht nur bei der Ausstattung von Küchen oder Kassensystemen entscheidende Vorteile bieten kann, sondern auch bei der Produktion von Lebensmitteln, beweisen Ulrich Kager und Patrick Sanin, die Vertical Farming Systeme für Microgreens anbieten. „Auch für uns sind das Sammeln, die Auswertung und das Teilen von Daten wichtig, um an verschiedenen Standorten voneinander zu lernen, Wachstumsklima und -zyklen zu optimieren sowie die beste Qualität der produzierten Pflanzen sicherzustellen, ohne dass die Anwender vor Ort ein großes Know-how brauchen”, erläuterte Kager, warum sich auch ihr Start-up Profarms als Technologie-Unternehmen versteht.

„Digitalisierung ist also nur dann smart und nachhaltig, wenn sie individuell und effizient ist”, fasste Moderatorin Nina Fiolka die Ergebnisse des Tages prägnant zusammen. Alexander Hofer, Vorstand des FCSI Deutschland-Österreich, betonte abschließend den Anspruch der Stammtisch-Reihe, echte Zukunftsthemen zu diskutieren und damit die Branche als Ganze voranzubringen. „Auch Berater sind mitunter beratungsresistent. Wir vom FCSI wollen nicht dazugehören”, hob Hofer hervor.

Folgerichtig steht der Termin für den 4. FCSI-Stammtisch zur Digitalisierung bereits für den 23. November 2022 fest, der Ort wird noch bekannt gegeben.

FCSI/rl

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